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„Dem Berg ist es völlig egal, ob ich da gewesen bin“

Führungskräfte ziehen oft Parallelen aus dem Sport heran, um in Beiträgen in sozialen Netzwerken oder bei Zeitungsinterviews passende Bilder zu schaffen – für die eigene Haltung, Entscheidungsprozesse oder Herangehensweisen. Daraus entstehen Geschichten, die in Erinnerung bleiben.


Christine Hense ist im August seit 25 Jahren bei Interplan. Das war der Anlass für ein Interview – das sich zu einem unterhaltsamen, schlagfertigen und teils intensiven Dialog entwickelte.

Mit einem Vierteljahrhundert Erfahrung als Führungskraft im Kongress- und Veranstaltungsmanagement ist Christine Hense mittlerweile mit dem Fokus auf Personalentwicklung und operative Abläufe eher hinter den Kulissen tätig. Bei ihr ist der Bergsport schon aufgrund der Herkunft authentisch verwurzelt. Viel mehr als um die Herausforderungen des Sports an sich, geht es um Naturerfahrung, Erlebnisse, Reflexion und Lebenseinstellung.

Ein Interview.

„Du bewegst dich seit 25 Jahren im Kongress- und Veranstaltungsmanagement bei Interplan. Neben der Familie ist der Bergsport einer der Mittelpunkte deines Lebens. Wie verknüpfst du das?

Als Mensch kann ich meine Werte und meine Haltung vom Arbeits- zum Privatleben nicht wechseln. Was ich wechseln kann, ist die Perspektive. Ich nehme Eindrücke aus der Natur mit in den Berufsalltag und Herausforderungen vom Arbeitsplatz mit auf den Berg. Der Perspektivwechsel hilft, viele Dinge zu relativieren und einzuordnen.

Dann steigen wir doch gleich mit den Herausforderungen ein, mit denen man im Veranstaltungsmanagement konfrontiert ist und die auch die Aktivitäten in den Bergen ausmachen.

Wir können gern bei diesem Bild bleiben. Im Kongressmanagement bringen wir Projekte voran, wir planen, agieren immer als Team, wir verfügen über passende Fähigkeiten und Tools und manchmal ist es so, dass etwas anders kommt als geplant.  

Die Parallelen liegen auf der Hand: Egal ob auf dem Berg oder im Job. Immer können sich unvorhergesehene Aufgaben und „Wetterumschwünge“ ergeben, die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erfordern. In der Vorbereitungsphase haben wir Zeit und können mit Know-how und Erfahrung leicht korrigieren. Vor Ort braucht es eine schnelle Reaktion, Entscheidungsfreude und manchmal auch Mut. Das ist die echte Herausforderung.

Trotz aller Flexibilität ist die Bedeutung der richtigen Vorbereitung und Planung in beiden Bereichen nicht unerheblich. Wie läuft eine Vorbereitungsphase gut?

Auch in langfristigen Vorbereitungsphasen kommt es auf ein sehr gutes Timing an. Beginnt man zu früh, hat man eventuell noch nicht die richtige Ausgangsbasis und noch nicht alle Informationen. Beginnt man zu spät, entsteht Hektik. Die Kunst ist, in dem Netzwerk aus Kunden, dem internen Team und den Partnern und Zulieferern gut strukturiert und agil zu arbeiten, um auf jede Situation souverän reagieren zu können. Noch besser ist es, jeweils einen Schritt voraus zu sein.

Gibt es Fähigkeiten, die du in deinem Berufsleben erworben hast und die dir bei Bergtouren schon hilfreich waren?

Ich habe mir angewöhnt, in Möglichkeiten zu denken.  Das habe ich im Job gelernt und verinnerlicht, fast wie ein Mantra. Auch unterwegs auf Tour praktiziere ich das mittlerweile gut. Es gibt immer verschiedene Möglichkeiten mit Situationen umzugehen. Das ist am Berg wichtig, wenn es mal schwierig wird. Dann lohnt es sich in Ruhe zu überlegen, welche Alternativen sich bieten, um weiterzukommen. Ich finde es ist unglaublich entspannend zu wissen: Ich habe immer eine Wahl.

Teamwork liegt bei einer Bergtour auf der Hand.

Das stimmt. Wenn wir mit der Familie oder Freunden unterwegs sind, wählen wir Tempo und Schwierigkeitsgrad immer so, dass alle es bequem schaffen. Um das gut abzuschätzen, ist aufmerksame und offene Kommunikation unerlässlich. 

Der Begriff Teamarbeit wird aus meiner Sicht oft zu pauschal eingesetzt. Dadurch hat er leider an Aussagekraft verloren. In unserem Berufsfeld geht es nicht ohne Teamarbeit. Der Erfolg eines Kongresses hängt von der Leistung jedes und jeder Einzelnen ab, egal, in welcher Rolle oder Funktion. Alle Gewerke und Aufgaben greifen ineinander. Aus meiner Sicht hängt die Leistungsfähigkeit eines Teams nicht vorrangig von individueller Kompetenz ab, sondern beruht auf einer gemeinsamen klaren Vorstellung des Ziels, von einem gemeinsamen Werteverständnis für zum Beispiel Respekt, Verantwortung, Lernbereitschaft und von der Fähigkeit zu kommunizieren.  Und wenn es richtig gut läuft, dann darf ausgiebig gefeiert werden. Bei der Arbeit genauso, wie auf einer Tour!

Wie stellst du dich auf dein Team ein? Oder muss es sich auf dich einstellen?

Ich versuche das Potenzial der Teammitglieder zu erkennen, zu fordern und bestmöglich einzusetzen. Ich helfe dabei, einen guten gemeinsamen Arbeits-Flow zu finden, der für alle passt. Es braucht eine offene Haltung, um zu erkennen:  Können wir das zusammen? Kann ich das schaffen? Auf welche Stärken können wir bauen? Wie können wir Schwächen möglichst umgehen? Die Herausforderungen richtig einzuschätzen, ist Grundlage für die jeweils nächste Entscheidung.

Welches Tempo schlägst du in deinem Leben ein? 

Im Kongressmanagement und auch beim Bergsteigen ist das richtige Tempo entscheidend, um erfolgreich und sicher ans Ziel zu kommen. Mit dem Tempo habe ich persönlich immer wieder Probleme: Zu viel, zu schnell. Ein Thema, an dem ich persönlich intensiv arbeite und bei dem mir ein einfacher Kalenderspruch hilft: „Wenn du es eilig hast, gehe langsam.“ Die guten Ideen oder neue Lösungen finde ich nicht am Schreibtisch, sondern draußen. Dafür braucht es genug Zeit und Raum

Wo, denkst du, sind deine Grenzen?

An dem Punkt, wo ich mir und anderen schaden könnte, ist Schluss. Grenzen lassen sich verschieben. Eine Hürde, die heute da ist, kann morgen unter anderen Bedingungen, mit neuen Ideen, Kompetenzen oder mit Unterstützung, vielleicht überwunden werden.

Sind Kondition, Ausdauer und Wille wichtige Skills?

So bin ich zumindest erzogen und geprägt worden. Ein gewisses Durchhaltevermögen ist Voraussetzung, um Ziele zu erreichen und auf Dauer erfolgsentscheidend.

Beim Berggehen wäre es schon ab und zu bequemer, einfach nicht mehr weiterzuwandern. Wenn der Gipfel aber in Sicht ist, gehst du weiter – und du erfährst, was du leisten kannst.

Führungskräfte benötigen aus meiner Sicht auf jeden Fall Ausdauer und unbedingten Willen, um Zeiten mit hoher Belastung zu meistern.

Welche Naturerlebnisse geben dir Energie?

Ganz besonders liebe ich die Kombination aus Bergen und Wasser. Sie wirken auf mich sehr kraftvoll und inspirierend.

Beschreibe uns das Gefühl eines erfolgreichen Projektabschlusses.

Es ist wie das Erreichen des Berggipfels. Mit einem Unterschied: Dem Berg ist es völlig egal, ob ich da gewesen bin. Bei einem erfolgreichen Kongress sieht das anders aus: Auf Basis der vielen Kontakte, die während medizinischer Kongresse geknüpft werden, können sich Kooperationen und Projekte entwickeln, werden Erkenntnisse geteilt und weiterentwickelt die große Bedeutung für Einzelne oder eine ganze Gesellschaft haben.